Umbenennung von „Günther-Quandt-Platz“ in „Wilhelm-Krohn-Platz“ Der Bauverwaltung lagen aus Reihen einer politischen Fraktion seit Anfang Juni 2009 Anregungen zur Umbenennung des Günther-Quandt- Platzes schriftlich vor. Bis zur Umsetzung dieses Vorgehens haben sich die politischen Parteien auch öffentlich mit der Angelegenheit beschäftigt. Die Fraktionen Bündnis 90 / DIE GRÜNEN und Die LINKE beantragen in der Sitzung der Bürgerschaft vom 01.07.2010 zu Punkt 4.30 der Tagesordnung, Drucksache Nr. 502 AT, die Bürgerschaft möge beschließen: „ Dem Bauausschuss wird empfohlen, den Günther-Quandt-Platz in Wilhelm-Krohn-Platz umzubenennen. Die Kosten sind von der Hansestadt Lübeck zu tragen. “ Dem Antrag ist folgende Begründung angeführt:  „ Günther Quandt war als frühes NSDAP Mitglied und Reichswirtschaftsführer mit dem Unrechtsregime der Nationalsozialisten eng verbunden. In seinen Werken, auch in Lübeck, mussten Zwangsarbeiter Frondienste leisten. Polnische „Zivilarbeiter“ bekamen während ihres „Arbeitseinsatzes im Deutschen Reich“ auf Grund der nationalsozialistischen Rassenhierarchie keine ausreichende Ernährung.    Der Witwer Wilhelm Krohn wurde kurz nach Eintritt ins Rentenalter auf Grund einer Denunziation von der Gestapo verhaftet. Es wurde ihm vorgeworfen, einigen so genannten „Fremdarbeiterinnen“ aus Polen wiederholt Lebensmittel gegeben zu haben. Dabei war Krohn kein ausgesprochen politischer Mensch; seine Motive für die Unterstützung der polnischen Arbeiterinnen waren eher in seiner humanen und gutmütigen Wesensart zu sehen. Die genaueren Umstände seiner Festnahme sind nicht geklärt. Möglicherweise wurde Krohn vor dem schleswig-holsteinischen Sondergericht Kiel wegen „Unerlaubten Umgang mit Fremdarbeitern“ verurteilt und wahrscheinlich wurde er zunächst in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel in Hamburg gebracht, von wo in der Regel Menschen, die in Lübeck verhaftet wurden, in ein Konzentrationslager eingewiesen wurden. Am 30. September 1940 wurde er im Alter von 65 Jahren in das Konzentrationslager Sachsenhausen in Oranienburg, nördlich von Berlin, eingeliefert. Er erhielt die Häftlingsnummer 33.229. Keine zwei Monate später, am 29. November 1940 um 14:00 Uhr verstarb Wilhelm Krohn im Konzentrationslager Sachsenhausen. Als Todesursache wurde eine Zellgewebeentzündung bei akuter Herzschwäche angegeben. Sein Leichnam wurde eingeäschert. Üblicherweise wurde die Urne mit den Überresten des Verstorbenen  an seinen letzten amtlichen Wohnsitz gesandt, wo er seine letzte Ruhe fand. Bis in die 50er Jahre gab es auch eine Grabstelle für das Ehepaar Anna und Wilhelm Krohn auf dem Friedhof in Schlutup. Tatsächlich ist er aber wohl in einem Sammelgrab in Berlin-Altglienecke beigesetzt worden. “ Mehr als 800 Personen haben durch ihre Unterschrift gefordert, dass die Umbenennung nur in Abstimmung mit den Schlutuper Bürgern erfolgen sollte. Nach weiteren, zahlreichen schriftlichen Eingaben fand am 02.11.2010 eine Bürgerbeteiligung statt. Beurteilung der Bauverwaltung: Die Bauverwaltung kann aus den vorgebrachten Argumenten der Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern und auch nach den eingegangenen Schreiben keine sichere Mehrheit für eine Umbenennung erkennen. Es gibt inhaltlich und auch von der Anzahl, sowohl der Befürworter, als auch der Ablehnenden gute und stichhaltige Gründe für beide Möglichkeiten. Wie zu erwarten, sind die Meldungen der Befürworter eher aus dem weiteren, städtischen Umfeld eingegangen und die teilweise sehr deutlichen Ablehnungen aus dem direkten Umfeld des Günther-Quandt-Platzes formuliert worden. Daher liegt es nun an den politisch Handelnden, zu entscheiden, dass eine oder dass keine Umbenennung erfolgen soll. Diese notwendige Entscheidung ist durch den empfehlenden Beschluss der Bürgerschaft dem Bauausschuss auferlegt worden. Sollte eine Umbenennung beschlossen werden, empfiehlt die Bauverwaltung nach Diskussion, Schriftlage und o.a. Bewertung einen neutralen Personennamen aus dem Schlutuper Umfeld dafür zu wählen. Die federführenden Fraktionen im Bauausschuss haben mit ihrer politische Mehrheit in der Abstimmung am 13. Feb. 2012 trotzdem und entgegen den Einwohnerprotesten, die Umbenennung in „Wilhelm-Krohn-Platz“ beschlossen. Daraufhin hat sich ein Gesprächskreis gebildet, um mit Beteiligung von Fachleuten den Sachverhalt der Umbenennung noch einmal zu diskutieren. Die Ergebnisse dieser Gesprächsrunde sind im nachfolgenden Protokoll aufgeführt.
Schlutuper Gesprächsrunde zu den Vorgängen um die Umbenennung des „Günther-Quandt-Platzes“ in „Wilhelm-Krohn-Platz“ Protokoll Termin: Dienstag, der 24.April 2012    - Beginn: 19 Uhr Ort: VLK – Verein Lübecker Kegler, Palinger Weg 66 Eine Teilnehmerliste ist dem Protokoll beigefügt. Die Gesprächsleitung hat der Vorsitzende des Gemeinnützigen Vereins Schlutup, Achim März, übernommen, der den Teilnehmern auch eine kurze Programmplanung an die Hand gegeben hat. Tagesordnungspunkte (TOPs) der Programmplanung: TOP 1: Begrüßung durch den Gesprächsmoderator Achim März. Herr März äußert  den Wunsch, dass im Gespräch die unterschiedlichen Positionen auf faire, sachliche  Art dargelegt werden und als Ergebnis konstruktive Vorschläge entstehen könnten, wie der Frieden unter den Schlutuper Bürgern wieder hergestellt werden könne nach einer sehr emotional geführten Debatte um die Umbenennung. TOP 2: Vorstellungsrunde: Die Gesprächsteilnehmer stellen sich der Reihe nach vor, indem sie ihre Motivation für die Teilnahme darstellen und auch schon Statements abgeben zum Ablauf der Umbenennung. Die Vorstellung nimmt einen größeren Zeitraum in Anspruch als geplant, da viele Teilnehmer ein großes Bedürfnis verspüren, ihrem Unmut über die Art und Weise der Umbenennungsaktion Ausdruck zu geben. TOP 3: Was bisher geschah: Nach der Vorstellungsrunde verliest Herr Eckermann seinen Bericht zum Ablauf der Umbenennungsaktion, so wie sich ihm der Hergang darstellt. Den Gesprächsteilnehmern liegt seine ausführliche Darstellung als email-Anhang vor („Entwurf vom 17.03.2012“). Im Rückblick, den er in der Gesprächsrunde gibt, stellt er den Hergang in den wichtigsten Fakten dar. TOP 4: Kurzdarstellung der Viten von Günther Quandt und Wilhelm Krohn  Der Historiker Christian Rathmer beleuchtet für das Gespräch relevante Aspekte der Viten beider Personen. Günther Quandt: Bereits vor der Fernsehdokumentation von Professor Scholtyseck über Günther Quandt, in dem dessen Rolle u.a. für die Kriegswirtschaft des NS-Regimes dokumentiert wurde, sei bekannt gewesen, wie Günther Quandt als erfolgreicher Unternehmen sein Vermögen aufgebaut  habe. Dies sei bereits im 1.Weltkrieg geschehen, in der Nazi-Zeit habe Günther Quandt an seine unternehmerischen Erfolge angeknüpft durch Einstieg in die Rüstungsindustrie. Die Herstellung rüstungsrelevanter Akkumulatoren sei kriegsentscheidend gewesen, er habe Hitlers Rüstungspolitik umgesetzt. Auch mit seinem 2.Standbein, den Munitionsfabriken ( u.a. in Schlutup), sei die Kriegspolitik der Nazis unterstützt worden. Günther Quandt habe stets nur seine Geschäftsinteressen im Auge gehabt und sei dabei auch ohne moralische Skrupel Nutznießer der Arisierung jüdischer Firmen gewesen. Mehr als 50.000 Zwangsarbeiter hätten in seinen Betrieben unter schlechtesten Bedingungen gearbeitet, etwa jeder 100ste Zwangsarbeiter sei zu Tode gekommen, u.a. durch Vergiftungsfolgen, Unterversorgung und Entkräftung. Wenn alle Fakten über die kriegsrelevante Rolle von Günther Quandt zu den Nürnberger Kriegsverbrecher- Prozessen vorgelegen hätten und vor diesem Gericht auch nicht nur exemplarische Fälle verfolgt wären, dann wäre Günther Quandt angeklagt und verurteilt worden wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Für die Öffentlichkeit sei exemplarisch Flick verurteilt worden. Im Grunde sei Günther Quandt unpolitisch gewesen, er sei einer wirtschaftlichen Eigenlogik gefolgt und habe alle sich ihm bietenden Möglichkeiten der NS-Diktatur genutzt zur Vermehrung seines Vermögens. Ein Vergleich mit den Unternehmerfamilien Bosch und Krupp als Namensgeber von Straßen sei nicht möglich, da die Ehrung den Gründern dieser  Unternehmen im 19.Jahrhundert gelte. In Lübeck - Schlutup seien über 4000 Rüstungsarbeiter beschäftigt gewesen. Wilhelm Krohn: Folgendes sei über ihn bekannt: Wilhelm Krohn wurde am 19.4.1875 in Schönberg. Mecklenburg, geboren. Anfang 1900 wurde er im jugendlichen Alter wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ zu einer Geldstrafe von 3 Reichsmark verurteilt. Danach war er nie wieder auffällig geworden. 1914 zog er mit seiner Frau und seinen bis dahin drei Kindern nach Schlutup, wo er in der Fischindustrie arbeitete. Vorher war er dort vermutlich bereits als Wanderarbeiter tätig gewesen. Im November 1914 wurde der jüngste Sohn Herbert geboren. 1919 erwarb Wilhelm Krohn das Lübecker Bürgerrecht. Einer seiner Söhne starb im Alter von 14 Jahren 1920. Wilhelm Krohn hat offensichtlich ein durchschnittliches, unauffälliges Leben geführt, über das nicht viel bekannt ist, so wie bei vielen anderen auch. In Schlutup war er in der Fischfabrik Bade beschäftigt. Nach mehrmaligen Umzügen lebte er mit seiner Familie lange Jahre im Haus der Fischerfamilie Bade, Hintern Höfen. 1935 zog die Familie dann in die Feldstraße, die ab 1938 Schusterbreite heißt. Es war eine Betriebswohnung der Firma Bade, dort wohnten noch weitere vier Mietparteien. In einem der Nachbarhäuser wohnte der Betriebsleiter der Firma, er war Mitglied der Ortsgruppe der NSDAP. Kurz nach Eintritt ins Rentenalter, Wilhelm Krohn war inzwischen Witwer, wurde er – wahrscheinlich aufgrund einer Denunziation - am 28.Juni 1940 auf Anordnung der Gestapo Lübeck verhaftet und ohne Gerichtsverfahren in sog. „Schutzhaft“ genommen, am 16.9.1940 dann mit anderen Häftlingen in das Konzentrationslager Sachsenhausen in Oranienburg, nördlich von  Berlin, überführt. Nach weniger als zwei Monaten kam er dort um, als Todesursache wurde Zellgewebsentzündung bei akuter Herzschwäche angegeben. Wie viele andere Opfer des KZ Sachsenhausen wurde er in einem Urnensammelgrab in Berlin – Altglienecke beigesetzt. Die Gründe für die Festnahme sind nicht geklärt, da die Gestapo Lübeck alle ihre Unterlagen noch vor Kriegsende vernichtete.Wilhelm Krohns Kinder haben nie erfahren, warum der Vater verhaftet wurde. Über eine gewerkschaftliche oder politische Betätigung ist nichts bekannt. (Ergänzung:Nach Aussage des Enkels Rainer Krohn, der das Schicksal seines Großvaters 70 Jahre später recherchierte, wurde ihm vorgeworfen, einigen sog. „Fremdarbeiterinnen“ aus Polen, die in seiner früheren Firma Zwangsarbeit leisten mussten, wiederholt Lebensmittel zugesteckt zu haben. Diese lebten vermutlich in einem kleinen, direkt an das Grundstück seines Wohnhauses angrenzenden Barackenlager.) TOP 5: Meinungsaustausch: Der Meinungsaustausch entwickelt sich bereits während der Darstellung der Viten beider Persönlichkeiten, die viele Fragen, Meinungen und geschichtliche Ergänzungen auslöst. Im ausführlichen Protokoll wird versucht, die Redebeiträge der Reihe nach wiederzugeben. Hier nun sollen die wichtigsten Stränge und inhaltlich ähnlichen Argumente zusammengefasst und mehr ein Resümee versucht werden. Gegen Ende der Gesprächsrunde zieht Herr März als Moderator ein Zwischenresümee und stellt zwei Sichtweisen und Vorschläge gegenüber, wie sie sich herauskristallisiert  haben: Auf der einen Seite steht die Forderung der meisten Gesprächsteilnehmer, den Protest gegen die politische Entscheidung und die Art des Umbenennungsprozesses weiterzubetreiben und öffentlich zu machen. Dies dürfe aber nicht zu Lasten der Person Wilhelm Krohn gehen. Es müsse dabei deutlich werden, dass die Kritik nichts mit „rechter Gesinnung“ zu tun habe, so wie in der Vergangenheit mehrfach von vereinzelten Befürwortern der Umbenennung geäußert worden sei. Auf der anderen Seite gebe es den Vorschlag, das Geschehen um die Umbenennung ins Positive zu kehren. Es könnte Wilhelm Krohn als unbekanntes Opfer des NS-Regimes stellvertretend für Tausende anderer unbekannter Opfer gewürdigt werden. Hier sind es die beiden Nicht- Schlutuper, Frau Greiß und Herr Rathmer, die den Wunsch äußern, dass versucht werden sollte, die Akzeptanz für Wilhelm Krohn als Namensgeber des Platzes zu erhöhen. Es soll zuerst die Argumentation der Kritiker zusammengefasst werden. Dabei lassen sich zwei Schwerpunkte /Hauptargumentationen herausfiltern: 1. Kritik an der Art und Weise, wie es zur Umbenennung kam 2. Wilhelm Krohn als Namensgeber wird abgelehnt mit zwei Begründungen:      a)  Der Name passe nicht an den Ort,      b)  Es sei fraglich, ob Wilhelm Krohn als Vorbild für eine Straßenbenennung geeignet sei. Zu 1. Kritik am Hergang der Umbenennung: Es wird von mehreren Teilnehmern betont, dass die Umbenennung auf die Initiative von nur zwei Personen zurückgehe. Die Schlutuper Bürger, vor allem auch die Anwohner des Platzes, seien in die Namensfindung nicht rechtzeitig eingebunden worden. Sie seien wie unmündige Bürger behandelt worden und mit der Festlegung auf den Namen überrumpelt worden. Es hätten viel früher Gespräche stattfinden müssen, auch sei auf der Versammlung im Rathaus nicht klar gewesen, dass zu dem Zeitpunkt der Name bereits festgestanden habe. Von den Schlutupern eingebrachte Gegenvorschläge seien von der Stadtverwaltung nicht diskutiert worden. Einzelheiten zum Ablauf der Umbenennungsaktion und detailierte Kritik daran ist im Schreiben von Herrn Eckermann nachzulesen. Es sei unverständlich, dass selbst die mehr als 800 Unterschriften von Schlutuper Bürgern gegen die undemokratische Umbenennungsaktion die Stadt nicht zum Einlenken gebracht habe. Einige Gesprächsteilnehmer machen deutlich, dass sie für den Fall einer Änderung in den politischen Machtverhältnissen der Lübecker Bürgerschaft noch Hoffnung haben, die Umbenennung rückgängig zu machen. Allerdings wünschen sie nicht mehr den Namen Günther Quandt zurück, sondern plädieren für den Familiennamen Quandt allein, da sich ihrer Meinung nach die Quandt-Erben ihrer Familiengeschichte gestellt hätten und die Verantwortung für Kriegsverbrechen ihres Großvaters übernommen hätten. Es gebe sogar auch die Möglichkeit, den Namen Günther Quandt zu belassen, dann aber mit entsprechendem Hinweis auf seine Verstrickung in die NS-Kriegspolitik und seine für die Vernichtungspolitik relevante Rüstungsproduktion und die Tausenden von Opfern unter den Zwangsarbeitern. Einige Gesprächsteilnehmer weisen auf andere Beispiele hin, bei denen der Bürgerwille nicht beachtet worden sei (Grünstrandbebauung in Travemünde, Schließung der Schule Moisling) Zu 2a) Wilhelm Krohn passe als Namensgeber einer Straße nicht an den Ort: Besonders Herr Schwanke als Kenner der Schlutuper Geschichte und Frau Tempel als Anwohnerin des Platzes sprechen sich aus historischen Gründen gegen Wilhelm Krohn als Namensgeber aus. Als Begründung führt Herr Schwanke an, dass das Gelände um den Platz ein einheitliches Areal der ehemaligen Quandtfabriken sei, Wilhelm Krohn habe mit den Fabriken dort nichts zu tun gehabt, er passe als Namensgeber eher dorthin, wo er gelebt habe. Frau Tempel weist darauf hin, dass der Platz lange Jahre nur eine Werksstraße gewesen sei, erst in den 50er Jahren sei es öffentliches Land geworden, für sie sei deshalb der Name des Begründers der Fabriken und des Brotgebers für sehr viele Schlutuper als Name für den Platz selbstverständlich. Jahrzehntelang habe sich auch niemand daran gestört. Zu 2b) Zweifel an Wilhelm Krohn als Vorbild für eine Straßenbenennung: Diesen Zweifel benennt u.a. Herr Eckermann. Er sei der Meinung, dass die Stolpersteinsetzung die Ehrung durch Benennung einer Straße ausschließe, es müssten dazu größere Lebensleistungen des Namensgebers bekannt sein. Dies treffe auf Wilhelm Krohn aber nicht zu. Herr Eckermann und andere betonen, dass sie auf keinen Fall die Person Wilhelm Krohn in Misskredit bringen möchten, sie befürworteten auf jeden Fall die Ehrung durch den 2010 verlegten Stolperstein. Behauptungen, von denen vereinzelte Gesprächsteilnehmer gehört hätten, Wilhelm Krohn sei ein Kleinkrimineller gewesen, konnte Herr Rathmer mit Fakten aus der Biographie Wilhelm Krohns entgegentreten: Es habe sich um „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ im jugendlichen Alter gehandelt, die mit einer Geldstrafe von 3 Mark belegt worden sei. Danach habe es nie wieder etwas an seinem Lebenswandel auszusetzen gegeben. Einige Gesprächsteilnehmer äußern Zweifel, ob die Verhaftung Wilhelm Krohns 1940 durch die NSDAP und seine Überführung ins Konzentrationslager Sachsenhausen überhaupt aufgrund einer Widerstandshandlung geschehen sei. Es gebe keine Beweise, dass er Zwangsarbeitern überhaupt Lebensmittel zugesteckt habe. Außerdem hätten dies sicher auch andere Schlutuper getan. Herr Schwanke weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass noch vieles von der Schlutuper Geschichte in der NS-Zeit nicht aufgeklärt sei. Vorschläge, wie etwas Positives entstehen könnte: Herr Eckermann sieht eine positive Entwicklung, wenn sich Projekte entwickeln, die auch junge Menschen mit einbeziehen. Es sollte ein Schulprojekt angeregt werden, in dem Schüler die Geschichte Schlutups erforschen über Familiengeschichten. Es könnte eine vorbildhafte Aufarbeitung der NS- Vergangenheit  werden, wenn die jungen Menschen während ihrer Recherchen mehr Verständnis für die Lebenssituation der Großelterngeneration entwickeln würden und auch zu Fragen kämen, die in unsere heutige Zeit übertragbar seien, z.B. die Frage, wie wir heute mit Menschen aus anderen Kulturkreisen umgehen. Vor allem die Bedeutung demokratischer Grundrechte könnte ihnen über die Beschäftigung mit dem Leben in der Nazi-Diktatur bewusst gemacht werden.Herr Schreiber teilt mit, dass er von der Bereitschaft Stefan Quandts wisse, mit jungen Menschen über die Quandtfabriken zu reden. Herr Rathmer macht noch einmal deutlich, dass in der NS-Diktatur nicht viel Widerstand möglich gewesen sei, selbst bekannte Persönlichkeiten wie Julius Leber hätten nicht viel mehr machen können als andere unbekannte Menschen. Die Motivation zur Umbenennung sei gewesen, einem Täter der NS-Diktatur ein Opfer entgegenzustellen. Die Vorbildfunktion Wilhelm Krohns  liege darin, dass er unter Lebensgefahr geholfen habe. Er stehe symbolisch für den Widerstand unbekannter Schlutuper, es gebe in Schlutup kein anderes Opfer der Nazi- Willkür, deshalb sei er gewählt worden. Die Umbenennung müsse aber mit Leben gefüllt werden, indem man sich mit dem Leben Wilhelm Krohns und überhaupt der einfachen Bürger Schlutups beschäftige.Wie haben sich die Erwachsenen damals verhalten? Es solle nicht die Frage nach der Schuld gestellt werden, vielmehr komme es darauf an, verstehen zu lernen, um es auf heute zu übertragen: Wie gehen wir mit Herausforderungen um wie z.B. dem Islam, wie integrationswillig sind wir? Herr Rathmer erklärt auf  Nachfrage sein Interesse an der Biographie Wilhelm Krohns. Es sei keine Auftragsarbeit gewesen, sondern er habe schon lange Jahre zur NS-Vergangenheit und den Opfern in den Konzentrationslagern geforscht. In den Totenbüchern von Sachsenhausen sei er auf Wilhelm Krohn gestoßen. Auch habe er herausgefunden, dass die größte Gruppe an Nazi-Opfern die Zwangsarbeiter gewesen seien, etwa 1500 von ihnen seien vor allem durch unmenschliche Arbeitsbedingungen, schlechte Versorgung und durch Entkräftung umgekommen. Auch er könne sich Erforschungen der Schlutuper Geschichte vorstellen, es müsste eng zusammengearbeitet werden mit Lehrern beispielsweise in den Fächern Wirtschaft und Politik (WiPo) und Weltkunde. So könne z.B. der Frage nachgegangen werden, welche Rolle das hauptsächlich sozialdemokratische Schutzbündnis gegen die politische Radikalisierung, das „Reichsbanner“, und der NS-“Marinesturm“ in Schlutup gespielt haben. Wie sei die politische Auseinandersetzung damals geführt worden? Sicher sei es leichter, sich mit der Vergangenheit innerhalb der eigenen Familie auseinanderzusetzen, wenn der Großvater z.B. Kommunist und nicht NSDAP-Mitglied gewesen sei. Letztlich gehe es darum: Wie könne Demokratie umgesetzt werden? Warum erfährt die Piraten-Partei beispielsweise gerade bei jungen Menschen so viel Zulauf? Herr Schwanke führt noch andere ungeklärten Fragen zur NS-Vergangenheit in Schlutup an. Wenig bekannt seien z.B. Widerstandshandlungen von Sozialdemokraten. In einer Schlussbetrachtung gibt Herr März der Hoffnung Ausdruck, dass das ruhige, aber engagierte Gespräch der Anfang für weitere konstruktive Treffen sein könnte, in denen es um die Aufarbeitung bisher ungeklärter Fragen der Schlutuper Geschichte gehen sollte. Ende der Gesprächsrunde: gegen 22 Uhr Protokollantin: Ursula Greiß 6.05.2012 ergänzte und korrigierte Fassung: 22.5.12
              Weiter Gesprächsrunden sind in Vorbereitung !
Quandt-Platz:  Geschrieben von: LN Beitrag Donnerstag, den 08. April 2010 um 00:00 Uhr                                                  Heimatforscher schlägt neuen Namen vor : Martin Hesekiel statt                                                   Günther Quandt. In der Diskussion über die mögliche Umbe-                                                  nennung eines kleinen Platzes in Schlutup bringt Heimatforscher                                                   Horst Schwanke einen ganz neuen Namen ins Spiel. Statt den                                                   Platz nach KZ-Opfern zu benennen, sollte ein verdienter Pastor                                                   gewürdigt werden, so Schwanke. Wie berichtet fordert eine                                                   Gruppe von Bürgern um die SPD-Politikerin Ute Friedrichsen,                                                   den Günther-Quandt-Platz in Schlutup umzubenennen. Quandt                                                   habe mit den Nazis kooperiert und als Unternehmer mit                                                   Zwangsarbeitern Geld verdient. Aufgerüttelt durch eine NDR-Dokumentation über die Familie Quandt und den Wehrwirtschaftsführer, zu dessen Unternehmensimperium auch die Munitionsfabriken in Schlutup gehörten, machen sich Friedrichsen und andere Bürger für einen neuen Namen des kleinen Platzes stark. Dabei haben sie mehrere Vorschläge unterbreitet – allesamt sind Opfer des Nazi-Regimes geworden. Heimatforscher Schwanke geht einen anderen Weg. „Es wäre schön, wenn man nicht jemanden von außerhalb nehmen würde", erklärt der 68-Jährige, der schon fünf Bücher über die Geschichte des Fischerortes verfasst hat. Bei seinen Recherchen stieß er schnell auf einen Namen: Martin Hesekiel. Der 1912 in Posen geborene, studierte Theologe wurde 1946 Pastor für die Vertriebenenlager in Lübeck. Von 1947 bis 1959 arbeitete er als Pastor in der St. Andreas-Kirche in Schlutup. „Hesekiel steht für Versöhnung und Aufbau", sagt Schwanke. Der kleine Fischerort mit seiner aufstrebenden Fischindustrie und der Rüstungsindustrie erlebte in der Nazi-Zeit und nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches einen ungeheuren Bevölkerungszuwachs. Der Ort war voller sogenannter Fremdarbeiter und Flüchtlinge. „Hesekiel richtete eine Baracken-Kapelle ein, organisierte das Gemeindeleben und baute die Jugendarbeit auf", erinnert sich der Heimatforscher, „er gründete einen Chor und einen Bootsclub." Es sei ihm gelungen, die nicht allzu herzlichen Alteingesessenen und die Zuzügler miteinander zu versöhnen. Schwanke: „Er sorgte für Frieden und wurde schnell zu einer Lichtgestalt für Schlutup." Die Familie des 2003 verstorbenen Pastors habe ihr Einverständnis erklärt, berichtet der Heimatforscher. Voraussetzung: Es dürfe keinen politischen Streit über den Namen geben. „Wenn die Schlutuper das wollen, wird es uns freuen, unseren Vater mit einem Straßennamen bedacht zu wissen", schreibt eine Angehörige an Schwanke. Ob der Quandt-Platz umbenannt wird, steht noch gar nicht fest. Laut Verwaltung muss zunächst der Nachweis einer Täterschaft erbracht werden. Offiziell gilt Günther Quandt als Mitläufer des Nazi-Regimes. Die Verwaltung prüft den Vorgang noch.  Von Kai Dordowsky Ln-online/lokales vom 08.04.2010 00:00:08 Foto: Der gebürtige Schlutuper Horst Schwanke vor der St. Andreas-Kirche in dem Fischerort: Von 1947 bis 1959 wirkte Pastor Martin Hesekiel in dem Gotteshaus. Hesekiel sei sehr volksnah gewesen und stand für Versöhnung und Aufbau. Foto: ULF-KERSTEN NEELSEN
Beiträge zum Wilhelm Krohn Platz, alias Günther Quandt Platz